Interview mit der Autorin Marion Schmitt
...aber das Leben geht weiter so lautet der
Titel eines Buches von Marion Schmitt. Es ist ein Buch über
eine Erfahrung, die viele Menschen gemacht haben, den Kampf um das
Leben eines Menschen.
Frau Schmitt, vielleicht erzählen Sie
kurz etwas genauer worum es in dem Roman geht.
Es geht um den schweren Unfall meines Bruders, der nicht nur unsere,
sondern auch andere Familien fast zerstört hat und immer wieder
die Frage aufwarf: Wie geht es weiter?
Der Titel klingt so ähnlich wie eine Vertröstung, die
Trauernde in der schweren Zeit immer wieder zu hören bekommen:
Das Leben geht weiter. . Wie ist der Titel Ihres Buches zu verstehen?
Ja, das Leben geht weiter, egal wie, mit welcher Ohnmacht und Hilflosigkeit,
mit Wut, Glaube und Hoffnung. Das Leben rollt unaufhörlich
weiter, wie Steine einer Lawine, die am Grund angekommen, eine riesige
Staubwolke verbreiten , in der man nicht mehr sinnvoll handeln kann.
Wie kamen Sie dazu ein Buch über diese Erfahrung zu schreiben?
Wer war der Auslöser für dieses Buchprojekt?
Es war die Fassungslosigkeit. So etwas passiert doch täglich,
aber das es die eigene Familie treffen kann, das wirft man immer
weit von sich.
An welches Publikum richtet sich dieses Buch? Was wollen Sie
den Lesern vermitteln?
Das Buch richtet sich in erster Linie an Menschen, denen ein
ähnliches Schicksal widerfahren ist. Ihnen will ich Trost und
Hoffnung geben. Diese Erzählung soll sich aber auch als eine
Mahnung an junge Menschen richten und ihnen klar machen, wie schnell
sie ihr Leben und das Leben anderer auf` s Spiel setzen durch Selbstüberschätzung,
Leichtsinn, Unerfahrenheit, und Rücksichtslosigkeit. Glaubhaft
wird das nur dadurch, dass meine Familie solch ein Schicksal getroffen
hat.
Sie haben sehr schnell begriffen, dass Ihr Bruder nun Unterstützung
braucht um seinen schweren Verlust tragen zu können. Sie waren
seine Begleiterin in dieser schweren Zeit.
Wie hat sich die Beziehung zu Ihrem Bruder seit dem Unfall verändert?
Wir haben jetzt nach dem Unfall eine sehr innige Beziehung zueinander.
Vor dem Ereignis war es leider nicht so, auch bedingt durch unser
Elternhaus. Keiner hatte Zeit für den anderen und jeder glaubte,
er müsse für sich und seine Interessen alleine kämpfen.
Heute sind wir Geschwister, die wirklich füreinander da sind,
so, wie ich es mir heimlich immer gewünscht habe.
In Ihrem Gedichtband Gedankenverlorenes gehen Sie plötzlich
ganz anders an Erfahrungen und Empfindungen heran. Lyrik ist das
etwas, das plötzlich aus Ihnen kam, oder war es eine lange
Leidenschaft sich mit Gedichten zu beschäftigen? Gab es einen
Auslöser dafür? Wann schrieben Sie das erste Gedicht?
Etwa drei bis vier Wochen vor dem Tod meiner Mutter schrieb ich
plötzlich mein erstes Gedicht. Warum das so war, kann ich bis
heute nicht sagen. Ich konnte aber plötzlich in kurzen prägnanten
Aussagen schreiben und mitteilen, in welcher Gefühlswelt ich
mich gerade befand und merkte in Gesprächen, dass sich viele
Menschen in meinen Zeilen wieder fanden. Ich werde auf jeden Fall
auch wieder Gedichte schreiben. Es ist eine starke, geballte Form
sich seinen Mitmenschen mitzuteilen.
Ihr Gedicht Verloren hat mich am meisten berührt. Gibt es
zu diesem Gedicht eine Geschichte?
Verloren ist nicht nur ein Gedicht. Es ist ein ganzer Zyklus. Ich
wollte die einzelnen Gedichte aber nicht nummerieren.
Wenn Sie in meinem Buch aber das Leben geht weiter die Seiten 239-241
lesen, werden Sie mein Verloren verstehen. (Es geht um Theresas
Schwester Christine.)
Trauern was heißt das für Sie? Welche Bedeutung hat
die Trauer für Sie persönlich?
Trauer hat eine große Bedeutung für mich. Sie gehört
zum Leben dazu und muss ausgelebt werden. Man muss sich tief damit
auseinandersetzen und darauf einlassen, sonst wird die Seele krank.
Es war für mich ein langer Prozess Verlust und Trauer zu ertragen,
denn ich bin erzogen worden immer im Leben Stärke und Überlegenheit
zu zeigen. Heute erlaube ich mir, auch schwach zu sein.
Sicherlich werden Sie wieder veröffentlichen. Was wird es
dann sein? Ein Gedichtband oder wieder ein Roman?
Gefühlsmäßig näher steht mir im Moment ein
weiterer Gedichtband. Die Resonanz der Menschen auf den Gedichtband
Gedankenverlorenes , das zeigen mir viele Briefe und Mails, ist
überwältigend, macht mir Mut und gibt mir die nötige
Motivation weiterzumachen.
Ich will aber auch nicht ausschließen, dass ich als nächstes
Kurzgeschichten oder eine neue Erzählung schreibe.
Vielen Dank für das Gespräch! Wir wünschen Ihnen
viel Erfolg für Ihre Zukunft und sind gespannt, was Sie als
nächstes veröffentlichen.
Das Interview führte Kerstin Müller.
(c) Kerstin Müller, Aachen 2005
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