... NICHTS
IST MEHR SO WIE ES WAR !
...
1. Teil des Trauertagebuches
Herr, bleibe bei uns
denn es will Abend werden
und der Tag hat sich geneigt.
Bleib bei uns
am Abend des Tages,
am Abend des Lebens,
am Abend der Welt.
Bleib bei uns mit Deiner Gnade und Güte
mit Deinem Trost und Segen.
Bleib bei uns wenn über uns kommt die Nacht
der Trübsal und Angst,
die Nacht der Verzweifelung und der Anfechtung,
die Nacht der Einsamkeit und Verlassenheit,
die Nacht der Krankheit und Schmerzen,
die Nacht des bitteren Todes.
Bleib bei uns in Zeit und Ewigkeit.
Lieber Hans !
Ich schreibe diese Zeilen, um Dir meine Liebe auszudrücken,
Deine Nähe zu erhalten, um auf diese Weise meine Verbundenheit
zu Dir zu festigen.
Gute Nacht - Schlaf gut - bis morgen...
Das waren unsere letzten Grußworte über Monate
hinaus in die Uniklinik.
Jetzt haben sie sich verwandelt in
... Abschied - wache über mich - bis zum Wiedersehen.
Das Licht fällt durch die Balkontüre auf Deinen
Hals, Du fragst mich: " Guck mal, was ich da für
einen Knubbel habe ?!" Ich erschrecke, verdränge
und antworte Dir: "Es könnte eine Schwellung der
Lymphdrüse sein aber gehe unbedingt damit zum Arzt.
Wie immer hatte der Hausarzt eine Woche Urlaub.
Zur Vertretung wollte er nicht, also erstmal Aufschub.
Sein Freund, ein Zahnarzt, verschrieb ihm Antibiotika.
Da es aber nicht besser wurde, machte Hans dann einen Termin
beim Hausarzt, der nicht glauben wollte, daß die Geschwulst
erst kurzfristig da war, er müsse es schon länger
haben - überwies ihn dann zum HNO Arzt.
Es war Dienstag, der 23.10.2001: Diagnose dringend - Sofort
OP.
Aus organisatorischen Gründen, da der Chefarzt die
OP selbst durchführen wollte, erhielt er für Montag,
29.10.2001 den OP Termin. Es folgten Kernspinnaufnahmen,
Röntgenaufnahmen, Untersuchung usw.
Die OP dauerte mehrere Stunden.
Unser Sohn und ich bekamen einen Besprechungstermin für
nachmittags. Unsere Anspannung war kaum zu ertragen. Es
bestätigte sich unsere Angst, indem der Arzt uns vorsichtig
mitteilte, daß wir den Fall in die bösartigste
Kiste, wie er wörtlich sagte, stecken müßten.
Seine Erregung von der OP war noch zu spüren.
Er sagte bis in die Haarspitzen unter Angst gestanden zu
haben, so daß er sich erstmal ausruhen mußte.
Der Tumor hatte sich um die Halsschlagader gewickelt. Er
war aber zu spalten, ein Zeichen dafür, daß er
noch frisch war, und somit konnte er ihn ganz gut entfernen.
Hans hatte immer beteuert, die Geschwulst sei ganz schnell
gekommen, er hätte es sonst beim Rasieren bemerkt,
was ja auch eindeutig war.
Der Tumor hatte sich kristallisiert, wie der Arzt es noch
nicht erlebt hatte und man hätte eine ganze Anatomie
hineinlegen können, so waren seine Worte.
Wir waren niedergeschlagen.
Als wir Hans dann im Krankenhaus besuchten, schöpften
wir Hoffnung. Er hatte die OP wunderbar überstanden.
Es ging ihm gut.
Wir warteten jetzt noch auf den Befund. Durch den Feiertag
am Donnerstag, kam der Befund freitags. Die Diagnose war
niederschmetternd. Hans war alleine ins Sprechzimmer gegangen.
Ich empfing ihn aus dem Wartezimmer kommend: "Na, bist
Du fertig ?" fragte ich. "Ja, ich bin f e r t
i g", gab er zur Antwort.
"Was ist los?", fragte ich. "Geh` erstmal
nach draußen", sagte er. - Schweigen.
Laut Befund müssen noch Tumore im vorderen, oberen
Kopfbereich sein. Unbekannter Primärtumor. - Überweisung
in die Onkologie. Mir ging zum erstenmal der Boden unter
den Füßen weg.
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